Wie baut ihr ein mitgliederfinanziertes digitales Lokalmagazin in Cottbus auf?

Leon Fryszer und Janina Martens von Krautreporter

Im Rahmen der MIZ-Innovationsförderung mit dem Projektpartner Krautreporter setzt ein dreiköpfiges interdisziplinäres Team seit Anfang Januar 2022 digitalen, mitgliederfinanzierten Community-Journalismus in Cottbus um: Das Projektteam von Lokalkomplizen soll gemeinsam mit Krautreporter über einen Zeitraum von sechs Monaten das digitale Lokalmagazin „Der Bus“ aufbauen, eine Community von Leser:innen gewinnen und ein innovatives Empfehlungssystem für die Akquise neuer Abonnent:innen entwickeln.

Wir haben mit Leon Fryszer (gemeinsam mit Sebastian Esser Vorstand der Krautreporter eG), und Janina Martens (freie Journalistin und Projektleiterin für Lokalkomplizen) darüber gesprochen, warum der Lokaljournalismus zwar vor Herausforderungen steht, aber trotzdem eine Zukunft hat, wie sie mit ihrem Projekt Innovationen und neue Geschäftsmodelle ins Lokale bringen wollen und wie die Umsetzung in Cottbus konkret aussehen soll.

Lieber Leon, liebe Janina, worum geht es, kurz zusammengefasst, in dem Projekt „Lokalkomplizen“?

Leon Fryszer: Das Ziel unseres Projektes ist es, ein mitgliederfinanziertes digitales Lokalmagazin aufzubauen, das wöchentlich in Zusammenarbeit mit seinen Leser:innen entsteht. Das allein ist ja schon ein relativ junges Model. Dass sich das Magazin aber auch trägt, ist nur zu schaffen, wenn wir auch technisch neue Wege gehen. Wir entwickeln deshalb eine Plattform, die ermöglicht, Mitglieder in die Weiterverbreitung des Magazins und seiner Inhalte einzubeziehen. Ähnliche Systeme gibt es natürlich bereits: Facebook erlaubt seinen Nutzer:innen das Teilen von Posts, im E-Shopping gibt es das Referral-Marketing, wir bauen etwas Ähnliches jetzt für den Journalismus.

„Die Leute schätzen konstruktive Berichterstattung; sie wollen mehr über die Lösungsansätze für Herausforderungen in ihrer Stadt erfahren. Das wird nun also ein wichtiger Grundpfeiler für unser Projekt.“

Mitte Januar fand der dreitägige Kick-Off zu dem Projekt im MIZ Babelsberg statt. Was nehmt ihr daraus mit und was sind die ersten Ergebnisse?

Janina Martens: Erst einmal ging es ums Kennenlernen und Zusammenwachsen als Team: Wir haben über unsere Erfahrungen und Werte gesprochen – und so den Grundstein für eine gute Zusammenarbeit gelegt. Auch konzeptionell sind wir in diesen drei Tagen einen großen Schritt weitergekommen. Was soll unser lokaljournalistisches Produkt ausmachen? Diese Frage haben wir miteinander diskutiert und entschieden, mit einem Newsletter zu starten – wir nennen ihn „Der Bus“. Außerdem haben wir eine Umfrage ausgewertet, die wir an Menschen aus Cottbus geschickt hatten, um herauszufinden, was sie sich von einem neuen Lokalmedium wünschen. Dabei kam zum Beispiel heraus: Die Leute schätzen konstruktive Berichterstattung; sie wollen mehr über die Lösungsansätze für Herausforderungen in ihrer Stadt erfahren. Das wird nun also ein ein wichtiger Grundpfeiler für den Journalismus, den wir in diesem Projekt machen wollen.

„Lokale Berichterstattung ist eine wichtige Kraft in der Demokratie. Sie darf nicht verloren gehen. Digitalisierung und ein Wandel des Geschäftsmodells sind dafür unumgänglich.“

Krautreporter gibt es als Online-Magazin seit 2014. Warum beschäftigt ihr euch ausgerechnet jetzt mit dem Lokaljournalismus?

Leon: Der Lokaljournalismus ist in einer prekären Lage. Es gibt erhebliche Schwierigkeiten bei der Lieferung der Zeitungen, die gesellschaftliche Alterung führt zum Wegbrechen der Leser:innenschaft, junge Menschen werden wenig erreicht. Gleichzeitig ist lokale Berichterstattung eine wichtige Kraft in der Demokratie. Sie darf nicht verloren gehen. Digitalisierung und ein Wandel des Geschäftsmodells sind dafür unumgänglich. Und mit diesem Wandel haben wir bei Krautreporter einige Erfahrung. Und wir haben Lust auf die Sache.

Was ist eure Vision für den Lokaljournalismus?

Leon: Wir erwarten keine großen Gewinne, aber das ist auch nicht der Auftrag von Krautreporter. Unser inhaltlicher wie geschäftlicher Auftrag ist immer die konstruktive Suche nach Lösungen. Und dieses Projekt ist ein Experiment. Wenn es gut geht, dann schreiben wir auf, was wir gelernt haben. Damit würde es eine Blaupause für alle Journalist:innen geben, die in ihren Städten und Gemeinden ein Lokalmagazin gründen wollen. Dann würde es bald überall kleine mitgliedschaftliche Lokalmagazine geben und der Lokaljournalismus hätte ein neues Zuhause.

„Uns geht es nicht um schnelle, tagesaktuelle Berichterstattung, sondern um Zusammenhänge und die Menschen hinter den Nachrichten.“

Warum habt ihr euch gerade Cottbus für euer lokaljournalistisches Projekt ausgesucht? Und wie plant ihr, Themen zu finden, die auch für die Menschen vor Ort relevant sind?

Janina: In Cottbus ist vieles in Bewegung, die Region steckt mitten im Strukturwandel. Es gibt hier unheimlich viel zu erzählen. Das Medienangebot vor Ort in Cottbus ist überschaubar. Wir wollen herausfinden, ob wir es erfolgreich ergänzen können – mit einem digitalen Lokalmagazin, das konstruktiv und hintergründig berichtet. Uns geht es nicht um schnelle, tagesaktuelle Berichterstattung, sondern um Zusammenhänge und die Menschen hinter den Nachrichten. Relevante Themen und gute Geschichten finden die Journalistinnen unseres Projektteams vor Ort. Sie werden dabei die Community einbeziehen, also Umfragen machen und mit den Cottbuser:innen ins Gespräch kommen: Was interessiert sie, welche Fragen stellen sie sich – aber auch: welche Antworten haben sie? Wo schlummern die unerzählten Geschichten?

Ihr hattet ja die Idee zu dem Projekt, in der Innovationsförderung mit Projektpartner finanziert das MIZ jetzt ein dreiköpfiges Team, das euch bei der Umsetzung unterstützt. Wie begleitet ihr das Projekt in den kommenden Monaten und wie funktioniert die Aufgabenverteilung zwischen euch und dem Projektteam?

Janina: Das Team arbeitet als Redaktion vor Ort in Cottbus. Die drei Teammitglieder bauen also dort die Community auf, recherchieren Geschichten, schreiben und produzieren den Lokalnewsletter, „Der Bus“. Als journalistische Projektleiterin habe ich die Inhalte mit im Blick, unterstütze bei der Formatentwicklung und Produktion. Ich bin das Bindeglied zwischen dem Team in Cottbus und der Krautreporter-Redaktion in Berlin.

Leon: Sebastian Esser und ich, Herausgeber und Geschäftsführer von Krautreporter, sind Ideengeber und Sparringspartner für das Team. Wir bringen ein, was wir an Erfahrung und Handwerk haben, aber die Umsetzung macht das Team weitgehend allein.

Zu guter Letzt: Welche drei Tipps wollt ihr eurem Projektteam für die kommenden knapp sechs Monate auf den Weg geben?

Janina: Erstens: Kommt mit den Menschen in und um Cottbus ins Gespräch, am Bahnhof, in der Bäckerei, überall. Hört genau zu und nehmt sie ernst. Zweitens: Bleibt offen und neugierig. Keine Geschichte ist exakt so, wie ihr es vor der Recherche erwartet. Und drittens: Wenn euer Kopf raucht und ihr euch so fühlt, als ginge gar nichts mehr: die Fenster aufreißen, ein großes Glas Wasser trinken und einmal quer durchs Büro tanzen.

Die Anmeldung für den Newsletter „Der Bus“ ist ab sofort möglich, die erste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 11. Februar 2022.

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Ansprechperson

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Marion Franke

Förderung

Marion leitet den Bereich Innovationsförderung. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen zu den Förderbedingungen, der Antragstellung und verantwortlich für die Betreuung der Projekte.

+49 331 58 56 58-26

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